Wann dürfen Vermieter kündigen, um eine Wohnung gewerblich zu nutzen?

Ein Eigentümer möchte seine bislang vermietete Wohnung als Büro für seine Firma nutzen. Darf er deswegen dem Mieter kündigen und sich auf Eigenbedarf berufen? Diese Frage müssen Gerichte für jeden Einzelfall individuell abwägen, wie der BGH jetzt entschieden hat. Dafür haben die Bundesrichter allerdings Leitlinien formuliert, in welchen Fällen das eher möglich ist und in welchen Fällen eher nicht.

Ein Eigentümer möchte seine bislang vermietete Wohnung als Büro für seine Firma nutzen. Darf er deswegen dem Mieter kündigen und sich auf Eigenbedarf berufen? Diese Frage müssen Gerichte für jeden Einzelfall individuell abwägen, wie der BGH jetzt entschieden hat. Dafür haben die Bundesrichter allerdings Leitlinien formuliert, in welchen Fällen das eher möglich ist und in welchen Fällen eher nicht.

Karlsruhe. Ein Vermieter darf eine Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen, um sie anschließend gewerblich zu nutzen – aber nur, wenn er ansonsten einen schwerwiegenden Nachteil erleiden würde. Ob der vorliegt, hängt sehr vom Einzelfall ab. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. In seinem Urteil formulierte der BGH Leitlinien für die Abgrenzung, wann von einem entsprechend gravierenden Fall auszugehen ist und wann eher nicht (Urteil vom 29.03.2017, Az.: VIII ZR 45/16).

Anlass für das Urteil der Bundesrichter war ein Rechtsstreit um eine Zweizimmerwohnung in Berlin. Der Mieter wohnte in der 27 Quadratmeter kleinen Wohnung seit 1977. Die Vermieterin war durch eine Zwangsversteigerung im Jahr 2008 Eigentümerin der Immobilie geworden. Ihr Ehemann betreibt im ersten Stock des Hauses ein Beratungsunternehmen. Die Räumlichkeiten seien jedoch inzwischen mit Akten überfrachtet, die sich in überlasteten Regalen bis an die Decke stapelten. So kündigte die Frau dem Mieter der Zweizimmerwohnung wegen Eigenbedarfs: Ihr Mann wolle die Wohnung als Aktenlager und Büro nutzen.

Rein gewerbliche Nutzung einer Mietwohnung: Einzelfall ist entscheidend

Darüber kam es zum Rechtsstreit mit dem Mieter. Die Räumungsklage der Vermieterin scheiterte zunächst. Zwar bestätigten die Gerichte, dass die Eigentümerin mit der beruflichen Nutzung der Wohnung durch Ihren Ehemann ein berechtigtes Interesse an einer Eigenbedarfskündigung nach § 573 BGB habe. Allerdings widersprach die Nutzung als Büro mit Archiv nach Ansicht der Richter den Vorschriften zur Zweckentfremdung von Wohnraum, die in Berlin gelten.

Die Eigentümerin zog vor den Bundesgerichtshof. Der sah die Sache anders als die Vorinstanzen: Eine gewerbliche Nutzung einer Wohnung erlaube keine Eigenbedarfskündigung nach Absatz 2, Nr. 2 des § 573 BGB. Diese Regelung erlaube eine Eigenbedarfskündigung zur überwiegenden Wohnnutzung durch den Eigentümer oder einen Angehörigen. Auch eine wirtschaftliche Verwertung der Wohnung, wie sie im Absatz 2 Nr. 3 desselben Paragraphen genannt wird, liege nicht vor. Hiermit sei etwa die Möglichkeit gemeint, das Gebäude für einen Neubau abzureißen, wenn der Eigentümer ansonsten erhebliche Nachteile hinnehmen müsste.

Für die Nutzung einer Wohnung zu gewerblichen oder (frei)beruflichen Zwecken stellte der BGH fest: Dieses Interesse eines Eigentümers sei zwischen den beiden genannten gesetzlichen Regelungen anzusiedeln. Allgemeine Grundsätze für solche Fälle ließen sich daher nicht festlegen, so dass eine Abwägung der Interessen von Mieter und Vermieter in jedem Einzelfall nötig sei. Für diese Abwägung stellte der BGH in seinem Urteil allerdings einige Leitlinien auf. Demnach sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden.

BGH stellt Leitlinien für Eigenbedarfskündigung auf

Soll einem Mieter wegen einer geplanten rein gewerblichen Nutzung der Wohnung gekündigt werden, müsste der Vermieter demnach belegen, dass ihm andernfalls ein Nachteil von einigem Gewicht entstünde. Das wäre laut BGH etwa dann der Fall, wenn das Geschäft sonst nicht mehr rentabel zu führen wäre. Denkbar wären auch Fälle, in denen die konkrete Lebensgestaltung die Nutzung der bislang vermieteten Wohnung erfordert, um beispielsweise wegen gesundheitlicher Einschränkungen, um Kinder zu betreuen oder pflegebedürftige Menschen zu pflegen.

Wenn es dagegen um eine Mischnutzung geht – ein Eigentümer oder sein Lebenspartner also in der Wohnung wohnen und zugleich einer beruflichen Tätigkeit nachgehen möchte – wird die Wohnung zu seinem Lebensmittelpunkt. In solchen Fällen hält der BGH eine Kündigung wegen Eigenbedarfs in der Regel für begründbar, wenn dem Vermieter andernfalls ein beachtenswerter Nachteil entstünde, der sich aus einer nachvollziehbaren Berufs- und Lebensplanung ableiten ließe.

Für den vorliegenden Fall leitete der Bundesgerichtshof daraus ab, dass die Eigentümerin kein berechtigtes Interesse an einer Kündigung des Mieters habe. Da es um eine rein gewerbliche Nutzung der Wohnung ging, hätte die Eigentümerin gewichtige Nachteile geltend machen müssen. Die Richter hielten es aber nicht für ersichtlich, dass die Auslagerung 30 Jahre alter Akten in weiter entfernte Räumlichkeiten für den Betrieb eine gewichtige wirtschaftliche Einbuße oder organisatorische Beeinträchtigung darstellt. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen sich eine rein gewerbliche Nutzung einer bisher vermieteten Wohnung begründen lässt.

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